Liebe Anna05!
Ich lese das hier leider erst heute und möchte Dich für Deinen Mut beglückwünschen, dass Du Dich traust, etwas für die Schule zum Thema Frei.Wild zu machen. Leider erst heute, weil ich gerne meinen Beitrag dazu geleistet hätte als jemand, der aufgrund seines Alters und seiner Familiengeschichte noch weiß, was "rechts" und "nazi" ist. Mein Großvater ist nach Kriegsende erschossen worden, weil er deutschstämmig war und in einem anderen Land lebte. Wer auf Menschen aufgrund ihrer Herkunft losgeht, ist von seinem Gedankengut her kein Deut besser als diejenigen, die meinen Großvater erschossen haben.
Eines zu dem von Dir aufgeführten Text von "Wahre Werte":
In der dritten Strophe distanziert sich die Band klarer als jeder "gegen rechts"-Rufer von Nationalsozialismus und Faschismus. Die Frage ist nun, warum "Kritiker" diese dritte Strophe in ihrer Kritik immerzu ignorieren.
Ich bin selbst durch einen Südtirol-Urlaub auf Frei.Wild gekommen, und dort durch das Lied "Wahre Werte". Wer mal in Südtirol war, weiß, wie die Menschen dort ticken und warum. Sie sind dort in der Minderheit. Ich möchte von einem Erlebnis in einer Bäckerei in Kastelruth berichten. Dort gab es dieses geniale Schüttelbrot (frisch) und vor mir war ein italienischer Bauarbeiter, der in Kastelruth eine Straße aufgerissen hat. Dieser Mensch hat sich standhaft geweigert, die Artikel bei ihrem Südtiroler Namen zu benennen (die akkurat und gut lesbar auf Preisschildern standen) und hat die Fachverkäuferin quasi dazu gezwungen, mit ihm italienisch zu reden. Man hat der Frau sehr gut angesehen, wie sehr sie das gestört hat, und man hat dem Bauarbeiter auch angesehen, wie sehr ihn das amüsiert hat. Wenn ich irgendwo bin, ist es mir eine Freude, in Landessprache zu bestellen, und wenn ich es nicht kann, lerne ich es gerne und bin dann stolz darauf, wenn ich es kann. Offensichtlich hatte der Bauarbeiter eine andere Quelle seines Stolzes.
Wer solche Szenen mal beobachten konnte, versteht jede einzelne Zeile von "Wahre Werte" und warum es der Band so wichtig ist, dass Sprache, Brauchtum und Glaube von Minderheiten bewahrt werden. Es ist einfach, vom bequemen Deutschland aus die Situation Südtirols zu betrachten und über die Südtiroler zu urteilen (das mit Abstand schlimmste, was ich von den Kritikern zu lesen bekommen habe, war: "Sollen sie halt italienisch lernen" - Meine Güte, alle Südtiroler sprechen italienisch. Würden diese Kritiker auch fordern, dass Minderheiten in Deutschland deutsch lernen und ihre Herkunft und Kultur vernachlässigen?).
Ich habe mich immer gefragt, warum die Kritiker den Text missverstehen. Sie sind der Meinung, dass er ausgrenzend wäre, was nicht nachvollziehbar ist. In dem Text geht es ausschließlich darum, seine Herkunft nicht zu verleugnen, aber offensichtlich legen es die Kritiker darauf aus, dass die Herkunft unbedingt verleugnet werden muss, wenn sie deutschstämmig ist. Besonders lustig ist in dem Zusammenhang, dass Südtiroler keine Herkunftsdeutschen sind, sondern Österreicher. Aber diese Differenzierung scheint den Kritikern egal zu sein. Schade, denn für mich sind Frei.Wild echte Antifaschisten, genau so wie Klaus Farin sein Buch genannt hat: "Frei.Wild - Südtirols konservative Antifaschisten".
Ich wünsche Dir viel Erfolg in der Schule und dass Du Deinen Mut, zu Deiner Meinung zu stehen, beibehälst (und beibehalten kannst, so wie Deutschland sich derzeit entwickelt, könnte das leider irgendwann kaum noch möglich sein) und Dich für Rechte der Minderheiten weltweit einsetzt und nicht nur, solange die Minderheiten nicht deutschstämmig sind. Das ist nämlich genau das, was Kritiker vergessen: Wenn sie deutschsprachigen Minderheiten die Rechte absprechen, die sie anderssprachigen Minderheiten anerkennen, dann sind sie dem "rechts", das sie bekämpfen wollen, mental näher als sie denken.