Ungewöhnlicher Fall am Amtsgericht Haßfurt
Hassfurt (MSW
) Das Lachen blieb dem Zuhörer im Halse stecken, als am Freitag einem 61-jährigen Gemeindeangestellten der Prozess wegen einer Trunkenheitsfahrt mit dem Fahrrad am Amtsgericht gemacht wurde. Der schmächtige Angeklagte fuhr im April dieses Jahres nach Mitternacht mit seinem Fahrrad nach Hause, nachdem er sich an der Knetzgauer Raststätte mit Bier betankt hatte.
Auf dem Heimweg geriet er in eine Polizeikontrolle, die Alkoholgeruch feststellte und ihn mit auf die Wache nahm. Dort ergab eine Blutprobe einen Wert von 2,11 Promille - deutlich über der Grenze der erlaubten 1,6 Promille. Vor Gericht lieferte der Russlanddeutsche nach anfänglichem Schweigen eine bemerkenswerte Erklärung. Mit stoischer Miene und leiser Stimme betonte er, dass er alles unter Kontrolle hatte.
Die Polizisten seien in Zivil gewesen. "Das war mein Fehler" meinte er. Früher in Russland sei er Zirkusakrobat gewesen. "Ich kann noch mit vier Promille Rad fahren", gab er sich überzeugt. Seine psychischen Probleme, die ihn in Russland bereits in eine Nervenklinik brachten, führt er auf ein Ereignis im Jahr 1971 zurück. "Eine große Katastrophe" sei damals passiert, sagte er, ohne jedoch nähere Details zu nennen. Er habe alles verloren gehabt, sein Hirn sei zerstört worden und er sei schlimmer als ein Tier gewesen. Der Geist Dschingis Khans sei in ihn hineingeschossen. Seitdem müsse er dessen "Aura mit Alkohol dämpfen".
Ein Vulkan sei in ihm am Brodeln. Die Beamten hätten Glück gehabt, dass sie ihn nicht angelangt hätten. Dann wäre der Vulkan wohl explodiert. In Russland sei er öfters verprügelt worden. Jedes Mal würde "das Universum zurückschlagen" in Form von Erdbeben und Naturkatastrophen. Richter und Staatsanwalt lauschten den Ausführungen des Angeklagten. Richter Wiltschka sah davon ab, ein Urteil zu fällen. Er verordnete dem Angeklagten eine psychologische Untersuchung im Bezirkskrankenhaus Werneck, die die Schuldfähigkeit des Alkoholsünders feststellen soll.
Bereits dreimal wurde er wegen Trunkenheit im Straßenverkehr angeklagt. Das letzte Verfahren im Mai wurde bereits eingestellt, um eine eventuelle Betreuung des Angeklagten einzuleiten, was jedoch nicht geschah. Der Beschuldigte selbst konnte kaum glauben, dass das Verfahren ausgesetzt wurde. "Ich möchte Buße" forderte er - ein seltener Wunsch, der ihm wohl verwehrt bleiben wird.