Für alle die, die das noch nicht gelesen haben,
hier der Bildplus-Artikel vom 30.04.2015 (Part I):
Auf der Suche nach Sex, Drugs & Rock’n’Roll!
Frei.Wild sind seit Jahren die umstrittenste Band der deutschen Musikszene. Umstritten deshalb, weil es seit Jahren den Vorwurf gibt, die Band bewege sich im rechten Milieu. Frei.Wild – von Kritikern gehasst, von ihren Fans vergöttert. Doch wie sieht es eigentlich hinter den Kulissen der Band aus?
Mit ihrem aktuellen Album „Opposition“ stürmten sie die Chart-Spitze. Derzeit sind sie auf großer Arenen-Tour. BILD durfte exklusiv in den Tourbus einsteigen und die Band für drei Tage backstage begleiten.
Tag 1 – Hamburg!
Als ich, der BILD-Reporter, in Hamburg ankomme, vertreibt sich die Band gerade den Nachmittag am Hafen. „Wir gehen gleich ins Hard Rock Cafe, komm vorbei“, schlägt mir Frontmann Philipp Burger am Telefon vor. Gesagt, getan!
Auf der Sonnenterrasse werden gerade die Getränke serviert. Espresso und Latte Macciato. „Warum kein Bier“, frage ich Bassist „Zegga“: „Ich trinke eigentlich gar keinen Alkohol mehr. Maximal ein Glas Wein vor dem Schlafengehen.“ Es hat sich einiges getan in der Band. Sport statt Suff, Familie und Kinder statt Groupies, Bauernhof statt Bunga-Bunga.
„Ihr müsst los. Soundcheck“, ruft Dino, der Security-Chef. Grimmig schaut er aus. Das soll er auch. Er ist für die Sicherheit der Band verantwortlich.
Ich nehme mir ein Taxi und lasse mich zur O2-World fahren. Als der Fahrer mein Ziel hört, erzählt er mir, dass es seit Tagen kein anderes Thema in Hamburg gibt, als dieses Konzert. 9000 Menschen haben eine Petition unterschrieben, die dafür sorgen sollte, dass das Konzert verboten wird. Vor der Show soll es außerdem eine große Demonstration gegen selbiges geben. Als ich ankomme ist von einer Demo noch nichts zu sehen.
Nur ein paar Fans vor und etliche Busse und Trucks hinter der Arena. Für diese Tour sind Frei.Wild mit vier Nightlinern und sieben Produktions-Trucks unterwegs. Viel mehr bringen in Deutschland nur Helene Fischer und Rammstein auf die Straße.
Im Inneren der leeren Halle stehen die vier Jungs auf der Bühne und machen ihren Soundcheck. Dabei spielen sie drei Songs komplett durch und testen mit ihrer Crew, ob der Klang für die riesige Halle passt. Heute muss alles klappen, denn hier in Hamburg soll die nächste DVD aufgenommen werden. Dafür wurde extra die Filmcrew erweitert – mehr als 20 Leute sind allein für die Kameras und die Regie verantwortlich.
Am FOH (Front Of House) leuchten derweil die Knöpfe, hier stehen die Menschen, die für den Sound heute Abend verantwortlich sind. Heute extra angereist ist auch Alex Lysiakow (39), Produzent der Band. Er gab Frei.Wild vor Jahren einen modernen musikalischen Anstrich und nimmt heute das Konzert auf.
„Ich verkabele gerade die Mikros in der ganzen Halle, um die Stimmung festzuhalten. Während der Show überwache ich die Rechner, damit die Aufnahmen nicht abbrechen. Es kann immer mal vorkommen, dass ein Fan irgendwo ein Mikro aus Versehen abreißt. Und jetzt geh ich was Essen.“
Die Verpflegung bei solch einer Tour ist das Herz der Produktion – oder halt der Magen. Über 80 Leute ziehen jeden Abend von Stadt zu Stadt, arbeiten zumeist von sehr früh bis spät abends. Da ist gutes Essen wichtig.
Der Einkaufszettel
u.a. Frühstück:
200 Eier
2 kg Speck
Mittag:
10 kg Fleisch
8 kg Pasta
Abends:
16 kg Fleisch
10 Liter Sause
10 kg Kartoffeln
9 kg Reis
8 kg Gemüse
Im Catering wird auf Hochtouren gearbeitet. Zwei Köche sind fester Bestandteil der Tour – jeden Tag werden sie noch von bis zu vier lokalen Assistenten unterstützt. Aus den Boxen dröhnt Hip Hop. In der Pfanne brutzelt das vegane Gulasch. Klagen hört man hier niemanden. Einzig Sänger Philipp hat sich beschwert, dass es auf dieser Tour kaum Wasser mit Kohlensäure geben würde. Laut den Köchen ist er der einzige Sänger, mit dem sie je gearbeitet haben, der auf Selters besteht – denn davon müsste man doch auf der Bühne aufstoßen. Philipps Antwort: „Ich trinke eh Bier, von daher ist mir das egal.“
Abendbrot in Hamburg. Es gibt Schweinshaxen in Pfeffersauce, Fisch und vegane Ente in Ananas-Sauce. Berührungsängste zwischen Band und Crew gibt es nicht. Die meisten sind bereits seit vielen Jahren dabei – jeder kennt jeden. Eine eingeschworen Gemeinschaft.
Und wenn es doch mal Knatsch gibt, dann schlichtet Tourmanager Kai Michelmann. Wer ihn finden will, muss entweder ins Produktionsbüro, zur Kaffeemaschine oder in den Raucherbereich gehen. Er ist der Leiter der Tour. Ohne ihn würde nichts laufen. „Das ist sowas von richtig!“, sagt er und schlürft seinen Verdauungs-Kaffee. Er ist seit 2009 dabei.
„Ich habe damals die allererste Nightliner-Tour gebucht und bin seitdem dabei. Auch weil das Arbeiten mit der Band sehr einfach ist – wenn man sie einmal kennt. Wenn hier jemand sitzen würde, der die Band nur auf Tour treffen würde, dann gäbe es Probleme. Die Südtiroler Mentalität ist einfach anders und nicht immer einfach. Manchmal muss man Philipp auch einfach mal den dreckigen Schlüpper an den Kopf werfen, weil er sein Zeug wieder überall rumliegen lässt oder ihm seine überall verstreuten Honiglöffel hinterher tragen.“
Seit April 2014 arbeitet Kai Michelmann bereits für die momentane Tour. Auch die Weihnachtsshows Ende des Jahres in Berlin und Köln sind schon seit über einem Jahr in Planung.
Kein leichter Job, wenn man mit einer Band mit so einem schlechten Image arbeitet. „Sobald eine Stadt nicht hinter unseren Konzerten steht oder ein großer Sponsor uns nicht mag, kann es Probleme geben.“
Während sich die Halle füllt, macht sich die Band backstage für den Auftritt fertig. Mittlerweile gibt es zwei separate Band-Räume. Schlagzeuger Föhre und Gitarrist Jonas gehört der ruhige Nichtraucher-Raum, während bei Zegga und Philipp immer volle Hütte ist. Was auffällt: Philipp ist der einzige, der vor der Show Alkohol trinkt. „Meine Mutter hat mir aufgetragen, viel zu trinken, das sei wichtig und gesund. Zwar meinte sie sicher Wasser, aber den Rest habe ich schlichtweg nicht mehr verstanden.“
Zegga dagegen schwört auf alkoholfreies Bier. „Das ist die erste Tour, auf der ich vor und während eines Konzerts nichts trinke. Und es fühlt sich richtig gut an.“
Die Show beginnt!
So richtig rund läuft es heute nicht. Der Sound ist nicht ideal, das brennende Herz bei „Wie ein schützender Engel“ fängt kein Feuer. Philipp hat es verbockt. Da er spontan zwei Songs im Set tauscht, klappt die Pyro nicht mehr. Hoppla. Und dann auch noch Textpatzer. „Live ist live und zum Glück singen ja unsere Fans richtig.“
Nach 90 Minuten ist das reguläre Set vorbei. Die Zigaretten brennen bereits, als sie Zegga und Philipp überreicht bekommen. Fünf Minuten durchatmen, eine durchziehen und auch ein wenig Schimpfen. „Scheiße mit dem Herz, aber man wird es uns verzeihen“, ärgert sich Philipp.
20 Minuten und drei Lieder später ändert sich das Bild. Geschafft. Und die Gesichter entspannen.
Auf dem Rückweg in den Backstage-Raum trifft Philipp auf einen weiblichen Fan, der auf einer Trage des Roten Kreuz liegt. „Oh, was hast du denn gemacht?“, fragt er den Fan.